Musikperformances
_ in den freien Raum
(erstmals aufgeführt 2006 zur Fußball-WM)
Eine große Leinwand mit der Live-Übertragung, die sowohl Publikum als auch wir als teilnehmende Musiker*innen sehen können. Sobald es losgeht, begleiten wir das Spiel über seine ganzen Pausen, unvorhersehbaren Entwicklungen und Brüche hinweg mit improvisierter Musik. Das Publikum spielt dabei eine sehr wichtige Rolle, denn sein Enthusiasmus beeinflusst die Musiker*innen in ihrem Spiel wesentlich. Und eine zusätzliche Feedbackschleife würde hergestellt, wenn man das Fußballspiel am Ort seines Geschehens, also am Spielfeld begleitet.
_ efemer
erstmals aufgeführt 2008
Die Idee von improvisierenden Langzeitperformances entstand aus in den freien Raum (s. o.) und weiteren Improkonzerten. Wir (das Performance-Duo Amber&Gold, s. o.) verwendeten ein bestehendes Musikstück als Rahmenhandlung oder Grundlage, dehnten es auf eine bestimmte Zeit (Matrix), und entwickelten in diesem Mikrokosmos live ein musikalisches Eigenleben. Im zweiten Arbeitsschritt komprimierten wir die gesamte Soundscape von Matrix und Impromusik auf die Originallänge zurück.
efemer war die erste Performance dieser Art, und wurde 2008 am Donaufestival Krems uraufgeführt.Zusammen mit Markus Sepperer und Christian Kapun spielten wir zu viert in einem durchsichtigen Iglu im Kremser Stadtpark 24 Stunden zu den verzerrten Klängen von take me out (Franz Ferdinand, 2004), das auf exakt diese Zeit digital gedehnt war und als Hintergrundmatrix diente. Alles zusammen wurde auf Ton und Bild aufgenommen und danach auf die Originallänge des Songs zurückkomprimiert.
Performances im öffentlichen Raum
_ denkmal
2007/17/…
eine Wissenschafts- und Medienpersiflage
Die öffentliche Performance denkmal widmet sich mit den Mitteln der absurden Überzeichnung dem Stellenwert von Wissenschaft in der Gesellschaft. Wie weit folgt und duldet sie ihre Argumentation?
Schon 2007 stellten wir (abermals Amber&Gold) uns vor ausgewählten Wiener Musikerdenkmäler und zeichneten mit aufwendiger Mikrofonie ihre für ungeschulte Ohren nicht wahrnehmbare „Schwingungen“ auf. Es galt nämlich, unsere „wissenschaftliche“ Hypothese zu prüfen, ob es zwischen diesen und den Klängen ihrer Werke „Korrelationen“ gibt. Die umstehenden Passanten und Touristen verfolgten die Versuchsanordnung interessiert. Unserer Aufforderung nach absoluter Ruhe kamen sie alle ohne Murren nach (nur die Touristenführer hatten was dagegen, v.a. bei Johann Strauß).
2017 setzte ich die Versuchsreihe alleine fort, um etwaige Veränderungen festzustellen. Und 2027 wird man die Herren Gluck, Haydn, Mozart et al. wieder besuchen. Wie die Menschen wohl dann drauf reagieren werden?
Und warum gibt es eigentlich keine MusikerINNEN-Denkmäler?
_ morgen
(als Zeitung erstveröffentlicht zur Friedensbim 2014)
Performativ-musikalische Vertonung einer (fiktiven) Gratis-Boulevardzeitung
Österreich wird (wie viele andere Länder) geplagt vom aggressiven Gratisboulevard. Das Umsonst-Segment scheint das einzige zu sein, das in der ganzen Branche marktwirtschaftlich überhaupt noch halbwegs funktioniert und sich sogar wachsender Leser*innenschaft erfreut, während diese ihm quasi schutzlos ausgeliefert ist. Wo bei anderen Druckwerken noch das Argument des Preises (zu hoch) oder des eigenen IQ (zu niedrig) wirkt, ist hier alles im freien Fall. Leser*innen handeln hier ganz offenbar nicht nach dem Grundsatz "was gratis ist, kann nicht viel wert sein", sondern nach der Devise: einem geschenkten Gaul schaut man nichts Maul.
Dem Antijournalismus setzt morgen ein Denkmal, und das Mittel der Wahl dafür ist die offensive Persiflage durch Nachahmung und Übertreibung der eigenen Grundsätze: In einem wüsten Impro-Musik-Setting schreien, wimmern, flüstern, deklamieren sich hier ein paar Redakteur*innen die unglaublichsten Neuigkeiten vom Leib, und das Publikum weiß nicht so recht, was davon nun wahr und was falsch ist. Von richtig ganz zu schweigen.
_ Galerie HATSOV (2017)
Ein Übung im Umkehren von Bedeutung und und Zweck: Die Releaseparty des Albums „capriole“ der Popband morgen es wird schoen im Mai 2017 wurde als Vernissage einer Zusammenschau von Werken fiktiver Beuys-Studierenden und Mitarbeiter aus seiner Düsseldorfer Zeit konzipiert: "Beuys' Adepten".
Sämtliche Biografien und Werke waren frei erfunden und sowohl der Biografie von morgen es wird schoen als auch Joseph Beuys’ eingepasst.
die Exponate aus "Beuys' Adepten":
Karlheinz Gröbich
„das internationale Buffet“, 1972
Holz, Karton, Essen
Enger Vertrauter von Beuys und oft sein stiller Stichwort- bzw. Ideengeber. Epochale Beuys-Arbeiten wie die Fettecke wären ohne Gröbichs Mitarbeit undenkbar.
Zu dieser Arbeit wurde Gröblich nach eigenen Angaben inspiriert, als er zu einem Bankett im Amerikanischen Konsulat in Düsseldorf eingeladen war. Nahrung und Nationalität verschwommen zu einer Leistungsschau des Kalten Krieges. Die Zahnstocher kommen von diesem Bankett, die daran angebrachten Delikatessen hat Gröbich selbst verspeist.
Lajos Démen
„ankommen“
Stahl, Gummi, Kunststoffe
Heute sperren sie die Flüchtenden aus, damals waren die Ungarn selbst welche. Und sie waren dankbar für das, was sie bekommen haben. Lajos Démen zum Beispiel bekam als Gastgeschenk dieses Fahrrad, das er auch gleich stolz mit dem Nationalitätenzeichen seiner neuen Heimat schmückte. Undenkbar, dass das heute ein Syrer mit dem dem ungarischen Kennzeichen macht.
Dieses Fahrrad war Démen über 20 Jahre lang treuer Weggefährte in die Arbeit und zu den vielen Ausstellungen, die er ausstatten durfte. Denn trotz seiner glücklichen Ankunft im Deutschland der 70er Jahre: als Künstler hat ihn hier niemand akzeptiert. So bleibt dieses Fahrrad zwar Symbol einer Willkommenskultur ante litterae, doch auch des vergeblichen Versuchs der Ankunft als ganzer Mensch.
Peter Obroni
"Hamlet Reblaus 99", 1971
PE-Folie
Das einzig verbliebene Exemplar aus dem immensen Katalog von Peter Obroni, und das auch nur seiner Zerstörungswut entkommen, weil es zu diesem Zeitpunkt gerade in einer Galerie in Köln-Deutz hing, die er vergessen hatte aufzusuchen.
Niemand aus der Reihe Düsseldorfer AvantgardekünstlerInnen war derart radikal wie Obroni zu dieser Zeit. Performance, Textkunst, Fotografie, es gab keine Disziplin, die er nicht ausprobierte. Doch mit den (damals völlig neuen) PE-Folien entdeckte er ein Terrain, das ihn über die Maßen faszinierte – und das viele andere Künstler inspirierte, ohne je seinen Namen gehört zu haben.
Otto Propst
"Schnackseln", 1970
Kunststoff
Der Österreicher Propst stellte innerhalb der losen Gruppe aus Beuys-Schülern/Düsseldorfer Radikalavantgardisten einen Außenseiter dar, nicht nur wegen seines Dialekts und seiner klischeehaften Gemächlichkeit, sondern vor Allem durch seinen Arbeitsschwerpunkt. Er beschäftigte sich ausschließlich mit audiovisueller Kunst, worunter „Schnackseln“ (hdt.: „bumsen“) als besonderes Highlight gilt. Auf den 6 Kompaktkassetten dokumentierte er 18 Geschlechtsakte unter Einfluss unterschiedlicher Drogen mit unterschiedlichen Frauen und Männern. Allein das Wissen um diese „Audiopornografie“ soll den Betrachter erregen – ohne auch nur einen Ton davon zu hören.
Christos Koussoupkis
„du sollst nicht“
Holz, Schiefer
Mitmachkunst war Ende der Sechziger Jahre der letzte Schrei in der Galeristenszene in den USA, und dieses Werk war gewissermaßen die deutsche Antwort darauf: während jene die Kunst aus dem Publikum holen wollten (sie aber eigentlich schon vorbereitet haben, damit nichts schiefgeht), fungiert bei diesen der allgemeine Wertekodex als Kunst schlechthin. „Du sollst nicht“ ist das Konzentrat der alten europäischen Schule, und es will nichts als Ermahnung zur Rechtschaffenheit.
Koussoupkis ist der „politische Flüchtling“ der losen Düsseldorfer Gruppe, der dem Terror des griechischen Obristenregimes entkommen konnte. Diese Legitimation und Triebfeder inspirierten ihn zu einigen der ein- und erdrücklichsten Arbeiten dieser Zeit. Leider ist vieles davon bei seinem Umzug zurück nach Griechenland 1978 verschollen.
Hemma Lobgesang
„mein Schläger“, 1973
Holz, Darm
Lange vor Becker und Graf entdeckten die Düsseldorfer Avantgardisten das Tennisspiel als elitären Gegenpart zum proletarischen Ruhrpott-Fussball, den sie aufs Äußerste verachteten. Tennis war, nach ihrer Lesart, das „spielgewordene Ichsein“, in dem sich der Schweinehund als einzig ernstzunehmender Gegner präsentiert.
Lobgesang war als Frau im Kunstbetrieb natürlich doppelt auf Abgrenzung bedacht, so dass es für die Zurschaustellung ihrer zu verteidigenden Frauenrolle einzig ihres Sportgeräts und seines doppeldeutigen Namens bedurfte. Der „Schläger“ war im Szenejargon der 70er nämlich auch der “Zuhälter“, den sie nun, in postmodern-emanzipatorischer Selbstermächtigung, aktiv zur sportlichen Demütigung männlicher Gegner miss-braucht.
Reiner Rings
„Mein Leben in Form von Außenbekleidung“, 1970
Leder, Baumwolle, Kunststoff
Rings gehörte den Beuys-Klassen sch on sehr früh an, und er war bekannt für Kunst-Happenings; diesen Begriffs gab es damals freilich noch gar nicht, er nannte sie, nach dem Wiener Vorbild, „Aktionen“. Mi seiner Aktion "AUGEN AUF!“ schaffte er es als Erster in die überregionale Presse.
„Mein Leben in Form… “ ist eine vergleichsweise kontemplative Arbeit: Über die Jahre von ihm getragene Oberbekleidung werden zum Statthalter der eigenen Biografie und erhalten für den Betrachter eine gruselige Note – vor allem wenn man die hängenden und stehenden Figuren hinter Toilettentüren und dunklen Fluchtwegen arrangiert.
Rings starb nach einem bewegten Leben, aber gänzlich unbeachtet von der Öffentlichkeit 1993 an Kehlkopfkrebs.
Dirk Egon Schaetzler
4 Gemälde, wahrsch. 1971
Wasserfarben auf Papier
Aus einer Unmenge an Bildern aus dieser Zeit seien hier nur 4 entnommen, die exemplarisch für Schaetzlers – und damit für die Bildsprache der gesamten Szene – stehen.
Scheinbar Nebensächliches wird hier verhandelt. Doch dahinter verbergen sich immer ein bissiger Hintersinn und eine abseitige Komik, die sich nicht selten aus den Materialien speisen.
Schaetzler war bis dahin ein durchaus gefragter Portraitist, ehe er sich durch die Bekanntschaft mit Beuys – und Peter Obroni – ganz der abstrakten Kunst widmete.